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Straßenbau

Vom Saumpfad zu Tirols schönster Panoramastraße

So kurzfristig der Start für die Timmelsjoch Hochalpenstraße im Herbst 1955 erfolgte – so lange dauert die Vorgeschichte. Erste Pläne gab es bereits im 19. Jahrhundert. 1897 beschließt der Tiroler Landtag ein Bauprogramm mit mehreren „Konkurrenzstraßen". Darunter befindet sich auch eine Straße über das Timmelsjoch. Doch der Erste Weltkrieg macht die Pläne zunichte. Das Timmelsjoch wird zur Staatsgrenze. Anfang der 1950er Jahre verschwört sich der Ötztaler Tourismuspionier Angelus Scheiber dem Bau einer Straße über das Timmelsjoch. In Landesrat Hermann Egger und im späteren Landeshauptmann und damaligen Landesrat Eduard Wallnöfer findet er wichtige Verbündete für seine Vision: Die angedachte Nord-Süd-Verbindung soll „mittags Skilauf auf den Ötztaler Gletschern und nachmittags Entspannung unter Palmen in Meran" ermöglichen. Am 30. Oktober 1955 erfolgt der Spatenstich für das Jahrhundertprojekt, das den ersten Höhepunkt im Tiroler Straßenbau darstellt. Die Sonderfinanzierungsgesellschaft Timmelsjoch Hochalpenstraßen AG, an der sich die Republik Österreich, das Land Tirol und 25 Oberländer Gemeinden beteiligen, dient später sowohl Felbertauernstraße als auch Brennerautobahn als Vorbild.

Der Bau der Timmelsjoch Hochalpenstraße gilt als Zäsur für den Übergang vom manuellen zum mechanisierten Straßenbau. Obwohl das Gelände den Einsatz nicht überall erlaubt, leisten die Unimogs, Bagger und Lastwagen unbezahlbare Dienste. Vier Planierraupen „fressen" sich im Tag durchschnittlich 150 Meter näher zum Joch. Dies entspricht einer Leistung von 130 Mann. Den Arbeitern verlangt das hochalpine Umfeld alles ab. Unvorstellbar für heutige Begriffe errichten sie mit Pickel, Schaufel und Schubkarren den Grund- und Oberbau der Straße. In mühevoller Handarbeit wird die Packlage Stein für Stein geschlichtet. Doch trotz aller Beschwernisse ist die Timmelsjoch Hochalpenstraße eine beliebte Baustelle. Die Verpflegung lässt keine Wünsche offen und bezahlt wird überdurchschnittlich.

Die Bauarbeiten können aufgrund der Höhenlage nur im Zeitraum zwischen Mai und November durchgeführt werden. Doch auch im Sommer zeigt das Hochgebirge bei so manchem Wintereinbruch sein raues Gesicht. Trotzdem wird die Hochalpenstraße innerhalb von vier Jahren – in nur 17 Monaten Bauzeit – planmäßig fertig gestellt. Am 17. Juli 1959 kann die Straße zum Joch feierlich eröffnet werden. Die ersehnte Verbindung mit Südtirol lässt allerdings noch weitere neun Jahre auf sich warten. Obwohl auf der steilen Südrampe bereits eine stillgelegte Militärstraße existiert. Diese ließ Benito Mussolini in den 1930ern für den Fall eines Einmarsches in Tirol errichten. Vor dem Hintergrund des Hitler-Mussolini-Paktes wurden die Arbeiten 1939 eingestellt – angeblich am Tag, als die beiden Diktatoren am Brenner zusammentrafen. Am 15. September 1968 schließlich geht der Traum der Pioniere in Erfüllung. Die neue Nord-Süd-Verbindung kann für den Durchzugsverkehr frei gegeben werden. Für Tourismus und Wirtschaft in Passeier- und Ötztal bedeutet der Zusammenschluss einen Meilenstein.